Freitag, 8. Juni 2012

Nicht so wichtig …

Stellt dir vor, du bist auf einer Geburtstagsparty und stellst dich zu einer Gruppe dazu. Das Geschnatter um dich herum ist laut, es läuft Musik, du hörst Gelächter und alles ist einfach sehr laut und lärmig. Die Leute um dich herum reden recht schnell, du kommst nur mühsam mit und musst dich sehr konzentrieren um alles einigermaßen zu verstehen.  Plötzlich beginnen die Menschen um dich herum loszulachen. Verwirrt schaust du dich um – was war da gerade los? Alle haben sich bereits wieder beruhigt und das Gespräch geht ganz normal weiter. Trotzdem fragst du jemanden neben dir, was da gerade los gewesen sei. Die Person antwortet: „War nicht so wichtig.“ und redet dann ganz normal weiter, so als ob nichts gewesen wäre.

Als Hörgeschädigte begegnen einem solche Situationen des Öfteren: „Ist nicht so wichtig“, „War nicht so wichtig“,  „Ist egal.“, „Wirklich, es war nicht so wichtig... wie oft habe ich diese Sätze bereits gehört? Ich kann es nicht mehr zählen.

Ich habe mich oft über diese eigentlich doch sehr kleinen Sätze geärgert und mich auch davon verletzt gefühlt. Meistens meinen es die betreffenden Personen in diesem Moment noch nicht mal böse – aber trotzdem: Ist es denn nicht meine Entscheidung was für mich in diesem Moment wichtig ist?

Ich wünsche mir, dass ich es allein schaffen könnte, in Gruppen alles zu verstehen. Aber so gerne ich das auch hätte, ich kann es oft einfach nicht. Ich kann es nicht, egal wie sehr ich mich bemühe. Und ich kann euch sagen, das ist unglaublich frustrierend, wenn man in diesen Momenten an seine Grenzen stößt. Jedes Mal wenn ich etwas nicht richtig mitbekomme, wird mir meine Abhängigkeit zu den Hörenden bewusst. Meistens versuche ich mir nicht ansehen zu lassen, wie sehr ich doch von meinen Mitmenschen abhängig bin – aber das „Nicht so wichtig“ macht mir diese Abhängigkeit sehr deutlich. Es ist ein Gefühl der Bevormundung oder abgestempelt zu werden, als eine, die sowieso nichts mitbekommt.

Es ist ein bisschen so, dass die Menschen um mich herum entscheiden können, was ich von den Gesprächen verstehe. Sie sind Richter darüber, wie viel ich mitbekomme, im Kleinen wie im Großen. Ich kann dafür kämpfen, soviel wie möglich zu verstehen, aber eine Wahl, die habe ich nicht wirklich. Manchmal bin ich es wirklich unglaublich müde, immer den Gesprächsfetzen hinterher zu jagen, die ich verpasst habe.

Meistens meinen die Hörenden es ja nicht böse … aber ich frage mich oft, wie ich auf ein solches „Nicht so wichtig.“ reagieren soll. Die Sache auf sich beruhen lassen? Oder lieber doch nachhaken und sich in Gefahr begeben dabei lächerlich zu erscheinen? Vielleicht einfach sagen: Für dich mag es nicht so wichtig erscheinen, aber für mich ist es wichtig.

Es ist doch mein Recht nachzufragen! Auf keinen Fall möchte ich eine Belastung für meine Umwelt sein, aber, bitte Leute, kostet es denn so viel Mühe mich darüber aufzuklären, was los war?

1 Kommentar:

  1. Liebe Weltenwandlerin,
    ich bin schon vor längerem auf deinen Blog gestoßen und habe die meisten deiner Einträge schon gelesen. Danke, dass wir an deinem Leben teilhaben dürfen. Ich bin Lehrerin für Gehörlose (auch Gebärdensprachdolmetscherin) und unterrichte in diesem Jahr in der Abschlussklasse das "Fach" - Identitätsarbeit. Ich spreche dort mit den Schülern über "die Welt da draußen", über das was oft frustrierend sein kann. Ich möchte die Schüler dabei unterstützen "Experte in eigener Sache zu werden", denn die Hörenden wissen viel zu wenig über Euer Thema. ....und dabei werde ich auch Texte aus deinem Blog verwenden... Du bringst so vieles auf den Punkt. Ich bin seit 30 Jahren in diesem Bereich tätig, habe auch viel Privatkontakt mit Gehörlosen und Schwerhörigen und höre überall die gleichen Geschichten.. Ja, ihr braucht ein sehr sehr dickes Fell im Alltag und von deinen Erkenntnissen mögen meine Schüler profitieren. Vielleicht meldet sich mal einer/ eine von ihnen??? Alles Gute und liebe Grüße Annegret

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